Klärtechnik auf der IFAT ENTSORGA 2010
In Deutschland gibt es rund 10.000 kommunale Kläranlagen. Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA, Dessau) benötigen sie jährlich fast 4.400 Gigawattstunden Strom, was der Jahresleistung eines modernen Kohlekraftwerks entspricht.
Die Behörde schätzt, dass etwa 20 Prozent dieser Energie eingespart werden kann ‑ durch effizientere Belüftung, verbesserte Steuerung der Aggregate sowie den Einsatz von Motoren und Pumpen der höchsten Energieeffizienzklasse.
„Bei der Belüftung gibt es bei allen Einzelkomponenten Einsparmöglichkeiten – vom Verdichter über die Verteilung bis hin zu den Belüftungselementen selbst“, weiß Dr. Gerhard Seibert-Erling, Niederlassungsleiter des auf Energieoptimierung, Elektro-, Maschinen- und Verfahrenstechnik, spezialisierten Beratungsunternehmens John Becker Ingenieure (Kerpen). „Die jährlichen Stromkosten eines Verdichters im Dauerbetrieb sind bei den heutigen Strompreisen oft höher als die Anschaffungskosten“, rechnet Dr. Seibert-Erling vor. „Es lohnt sich also, bei der Beschaffung eines Aggregates die Verbrauchswerte zu einem wesentlichen Punkt der Kaufentscheidung zu machen.“
Der von den Verdichtern bereitgestellte Luftsauerstoff wird über Belüfter in die biologische Reinigungsstufe eingeblasen. Auch hier können die Betreiber viel für die Energieeffizienz tun. Martin Wirsching von der auf Kläranlagenoptimierung spezialisierten Passavant-Intech GmbH (Rimpar) nennt einige Ansatzpunkte: „Neben dem Einsatz von hocheffizienten Membranbelüftern reduzieren auch deren gleichmäßige und flächendeckende Verteilung im Belebungsbecken sowie eine optimale Beaufschlagung den Energieverbrauch maßgeblich. Allerdings ist selbst die beste Sauerstoffausnutzung nur ein Teilerfolg, wenn zu viel oder zu lange Sauerstoff ins System eingetragen wird. Erst eine zusätzliche dynamische und belastungsabhängige Regelung der Belüftung ermöglicht es, das gesamte Einsparpotenzial zu nutzen.“
Abwasser und Schlamm müssen in einer Kläranlage auf vielerlei Arten bewegt und transportiert werden. Bei den hierfür eingesetzten Motoren und Pumpen ist der Stromverbrauch abhängig von ihrem Wirkungsgrad, vom Durchfluss und der Förderhöhe. „Je häufiger die Pumpe im Dauerbetrieb ist, umso wichtiger ist es, dass sie neben einer hohen Betriebssicherheit auch eine hohe Energieeffizienz aufweist“, sagt Dr. Seibert-Erling. Außerdem müssen die Aggregate möglichst genau an die tatsächlich auftretenden Betriebszustände angepasst werden. „Das betrifft zum einen die richtige Bemessung der Pumpen hinsichtlich Volumenstrom und Förderhöhe, zum anderen ihre optimierte Steuerung, zum Beispiel durch den Einsatz paralleler Pumpen mit unterschiedlicher oder variabler Förderleistung“, erläutert Bernd Kothe vom Pumpenhersteller KSB Aktiengesellschaft (Frankenthal). Wichtig seien dabei vor allem auch Erfahrung mit dem Fördermedium und seinen Fließeigenschaften sowie prozesstechnische Kenntnisse.
In den Belebungsbecken muss das Belebtschlamm-Abwasser-Gemisch ständig umgewälzt werden, um ein Absetzen des Schlamms zu verhindern. „Nachdem die Hersteller von Rührwerken wohl so ziemlich alle technischen Effizienzsteigerungsmöglichkeiten ausgereizt haben, geht es jetzt darum, in den Kläranlagen die uneffizienten Rührwerke ausfindig zu machen und durch moderne, hocheffiziente Aggregate zu ersetzen“, erläutert Dr. Seibert-Erling. Außerdem sei es möglich, durch strömungstechnische Untersuchungen und Simulationen die Gestaltung der Becken zu verbessern, die Anordnung der Aggregate zu optimieren und den Betrieb von Belüftung und Umwälzung genauer auf einander abzustimmen. „Oft können als Ergebnis solcher Analysen sogar einzelne Rührwerke eingespart werden“, unterstreicht der Experte.
Auch die Politik hat die in den kommunalen Kläranlagen schlummernden Potenziale bei der Energieeffizienz und damit für den Klimaschutz erkannt. Beispielsweise werden in Nordrhein-Westfalen schon seit dem Jahr 1999 Energieanalysen in Kläranlagen mit 70 Prozent der Gutachterkosten gefördert. In Bayern erhalten die Kläranlagenbetreiber seit dem vergangenen Jahr vom Umweltministerium des Freistaats jeweils bis zu 10.000 Euro an Fördermitteln für eine Energieanalyse durch ein externes Ingenieurbüro. In Baden-Württemberg übernimmt das Land im Rahmen der „Förderrichtlinien Wasserwirtschaft 2009“ die Hälfte der Kosten von Analysen, die der Verbesserung der Energieeffizienz in Kläranlagen dienen.
Quelle:Messe München GmbH